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Die Idee, einen Schulgarten einzurichten, findet viele Freunde am Luitpold-Büßer-Gymnasium. Doch ein paar wenige sind nicht so angetan davon, und einer von ihnen versucht den Plan mit allen Mitteln zu stoppen – wenn es sein muss, mit Gewalt. Gemeinsam mit zwei Siebtklässlern, die die Idee mit entwickelt haben, beginnt Schulsprecher Nick nachzuforschen. Doch alle Spuren scheinen im Sand zu verlaufen, und als er endlich die richtige Fährte aufnimmt, wird es brandgefährlich für ihn.
Dass die Schülervertretung des Luitpold-Büßer-Gymnasiums Externe zu ihren Sitzungen einlud, hatte Seltenheitswert. Wer ein Anliegen hatte, kam zu einer der Sprechstunden, die die SV regelmäßig abhielt, das Anliegen wurde notiert und in der nächsten Sitzung der SV diskutiert.
Diesen inoffiziellen Dienstweg hatten die Siebtklässler um Marieke Bender und Jonathan Piewski auch eingehalten. In der letzten Januarwoche waren sie in die Sprechstunde gekommen, für die an diesem Tag Schulsprecher Nick selbst eingeteilt gewesen war. Das ging reihum in der sogenannten Kern-SV, jener Gruppe, die aus dem Schulsprecher, dessen Stellvertretung, den Stufensprechern und den Abgesandten in den Fachschaften bestand.
Doch das Projekt war außergewöhnlich groß im Vergleich zu den Vorschlägen, die die Schülervertretung sonst erreichten, und die Gruppe hatte sich schon richtig viele Gedanken dazu gemacht. Nick war schnell klar geworden, dass es wenig zielführend gewesen wäre, das Thema ohne die Urheber zu besprechen. So viel, wie Marieke, Jonathan und ihre Kameraden schon ausgearbeitet hatten, hätte er sich gar nicht merken können, um es der Kern-SV vorzutragen. Also hatte er das Thema direkt auf die Liste für die nächste Versammlung der Gesamt-Schülervertretung gesetzt, die alle zwei Monate stattfand.
So durften Marieke und Jonathan die Pläne Mitte Februar selbst sämtlichen Klassensprechern und Klassensprecherinnen der Unter- und Mittelstufe und den Vertretern der Oberstufen-Jahrgänge vorstellen. Sie hatten sich hervorragend vorbereitet, eine Präsentation erstellt und den Vortrag offensichtlich mindestens einmal gemeinsam durchgespielt.
Was ihnen vorschwebte, war ein neuer Schulgarten. Die Idee war im Biologie-Unterricht der 7c aufgekommen, Mariekes Klasse, und hatte sich über die Klassengrenzen hinweg verbreitet. 7a und c stellten zwar das Gros der Gruppe, die die Idee vorantrieb, aber es waren aber auch ein paar Jungen und Mädchen aus den übrigen 7. und eine Handvoll aus anderen Stufen dabei. Insgesamt waren sie fast zwei Dutzend.
Nick hatte das Gefühl, dass ihnen eigentlich nur noch die Erlaubnis der Schulleitung fehlte und eben ein nicht übermäßig hoher Geldbetrag aus dem Schulbudget oder vom Förderverein. Sie hatten sich bereits Gedanken gemacht, welche Fläche auf dem Schulgelände infrage kam, welche Pflanzen man ziehen konnte und was Einrichtung und Pflege des Schulgartens an Geld und Arbeit kosten würden. Das war gut durchdacht, und die beiden Siebtklässler hatten auf alle Fragen der Schülervertretung eine Antwort.
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Mehrheitlich würde die Schülervertretung den Vorschlag, einen Schulgarten einzurichten, unterstützen, das war frühzeitig abzusehen. Trotzdem gab es Diskussionsbedarf, vor allem Mike Wiemers aus der 11. stellte sich gegen das Projekt. Er hielt den Schulgarten für überflüssig und prophezeite, dass er sowieso bald wieder in der Versenkung verschwinden würde. Bei den meisten, die sich jetzt dafür starkmachten, würde die Begeisterung schlagartig nachlassen, wenn sie merkten, dass man einen Garten ständig pflegen musste, behauptete er. Dann würde alles verkommen, zuwuchern und verfallen, ein Schandfleck für die Schule.
Daneben war es für ihn eine finanzielle Frage. Marieke und Jonathan hatten zwar vorgerechnet, was der Schulgarten kosten würde, das waren keine Unsummen, aber auch der vergleichsweise kleine Betrag musste irgendwoher kommen. Die Schule hatte nur ein begrenztes Budget, eigentlich gar keins, für irgendwelche Projekte, wahrscheinlich würde der Förderverein einspringen müssen. Der war genau dafür gegründet worden, über Mitgliedsbeiträge und Spenden Geld einzusammeln für Dinge, für die die Schule selbst keines zur Verfügung stellen konnte. Aber auch der hatte natürlich nicht unendlich Geld und konnte jeden Cent nur einmal ausgeben. Ein Teil der Einnahmen wurde immer zur Seite gelegt für Zuschüsse zu Ausflügen und Klassenfahrten, für Schüler, deren Eltern das nicht allein bezahlen konnten. Wie der Rest verwendet wurde, musste sorgfältig abgewogen werden, im besten Fall sollten alle etwas davon haben.
Das war alles nicht falsch, wenn auch in Nicks Augen kein Grund, es mit dem Schulgarten nicht wenigstens zu versuchen. Auch Mikes Befürchtung, dass der Schulgarten zu Lasten der Sport-AGs gehen würde, teilte er nicht. Vor allem aber wusste er, dass hinter all dem auch noch ein persönliches Motiv steckte.
Mike hatte sich bei den Wahlen nach den Sommerferien selbst um das Amt des Schulsprechers beworben. Unter insgesamt fünf Kandidaten war er Dritter geworden, aber mit deutlichem Abstand hinter Nick und hinter Angelina aus der 10., die seitdem Nicks Stellvertreterin war. Schon damals hatte Mike unterschwellig durchblicken lassen, dass er die Wahl für unfair hielt, nämlich für andere Bewerber unmöglich zu gewinnen, wenn der langjährige Schulsprecher seinen jüngeren Bruder in Stellung brachte.
Flo war drei Jahre lang Schulsprecher gewesen, von der 10. Klasse bis zum Abitur im letzten Sommer. Er hatte einen guten Job gemacht, er war anerkannt gewesen bei den Schülern, bei der Schulleitung und bei den Elternvertretern. Nick vermutete schon, dass er dadurch einen kleinen Bonus gehabt hatte bei der Wahl, aber ohne das wäre es allenfalls zwischen ihm und Angelina enger geworden. Mike konzentrierte sich zu sehr auf die Sportangebote der Schule, die wollte er voranbringen, alles andere fiel bei ihm hintenüber. Das hatten selbst diejenigen gesehen, die zum ersten Mal als Klassensprecher in die Schülervertretung gewählt worden waren, und ihre Stimmen lieber anderen Kandidaten gegeben. Davon, dass Flo für Nick als Nachfolger geworben hätte, konnte sowieso keine Rede sein. Bei der Wahl war er gar nicht mehr an der Schule gewesen, und auch in den letzten Monaten seiner Amtszeit hatte er sich nicht zu einer möglichen Nachfolge geäußert. Es konnte sogar passieren, dass auch Nicks Nachfolgerin aus derselben Familie kommen würde: Seine Schwester Helen war im Sommer ans LBG gekommen und auf Anhieb als Klassensprecherin der 5b in die Schülervertretung gewählt worden. Doch das hatte sie selbst geschafft und mit ihrer Art die neuen Klassenkameraden überzeugt, ohne dass die älteren Brüder für sie geworben hatten. Nick würde ihr helfen, wenn sie Fragen hatte, aber bestimmt nicht seine Position ausnutzen, um sie in irgendein Amt in der SV zu bringen.
In der Debatte mit Mike hielt er sich zurück, die Argumente, die er hätte einbringen wollen, sprachen auch andere an. Indem er sich darauf beschränkte, die Diskussion zu moderieren, hoffte er, verhindern zu können, dass die Auseinandersetzung zu hitzig wurde.
Ganz gelang es ihm nicht, es gab einige spitze Bemerkungen und bissige Kommentare, auch eine Handvoll, die persönlich wurden. Wenigstens artete es nicht so aus, dass Marieke und Jonathan den Eindruck gewinnen mussten, sie hätten es mit einem absoluten Sauhaufen zu tun. Auch Angelina, die um das angespannte Verhältnis zwischen Nick und Mike wusste, trug ihr Teil dazu bei, die Debatte einigermaßen in geordneten Bahnen zu halten.
Es ging eine ganze Weile hin und her, und dass die aufkommenden Fragen besprochen wurden, war richtig und wichtig. Das zu beschneiden, wäre Nick nicht in den Sinn gekommen, selbst wenn sein Amt ihm eine Handhabe dazu gegeben hätte. Er war Schulsprecher, nicht Schulkönig, und dass alles demokratisch und fair ablief, war für ihn selbstverständlich.
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Es gab ein paar Punkte, die Marieke und Jonathan sich noch auf die Liste schreiben mussten: Was war zum Beispiel mit den Sommerferien? Konnte man den Schulgarten so gestalten, dass er ein paar Wochen ohne Pflege auskam? So, dass die Pflanzen weder eingingen noch wucherten, dass man hinterher nur noch mit dem Buschmesser durchkam?
Am Ergebnis der Abstimmung, ob die Schülervertretung den Vorstoß unterstützen sollte, änderte das nichts. Wie Nick von Anfang an erwartet hatte, stimmte eine große Mehrheit dafür, es gab lediglich zwei Gegenstimmen und drei Enthaltungen.
Das Ergebnis bedeutete nicht, dass die Schülervertretung nun die komplette Arbeit machen oder die Führung an sich reißen würde. Der Schulgarten blieb nach wie vor das Projekt der Gruppe um Marieke und Jonathan. Die Schülervertretung würde sie beraten, Kontakte herstellen und die Vertreter der Gruppe zu Gesprächen beispielsweise mit der Schulleitung begleiten.
Umgekehrt wäre es auch nicht zwangsläufig das Ende des Projekts gewesen, wenn Mike eine Mehrheit davon hätte überzeugen können, es nicht zu unterstützen. Die Schülervertretung war nicht in der Position, solche Initiativen zu verbieten, sie konnte lediglich entscheiden, sich nicht selbst mit ihrer Erfahrung und ihren Kontakten einzubringen. Dann hätten Marieke, Jonathan und ihre Mitstreiter selbst die richtigen Ansprechpartner finden und ohne Unterstützung von ihrer Idee überzeugen müssen. Kein Ding der Unmöglichkeit, aber schwieriger als mit der Schülervertretung im Rücken, deren Mitglieder ja nicht nur für sich sprachen, sondern auch für die, die sie gewählt hatten.