Im Garten ranklotzen, während alle anderen im Freibad sind? Linus hat keine Wahl, die Nachbarn beschweren sich schon über den Wildwuchs. Da ist die unerwartete Hilfe natürlich sehr willkommen, aber trotzdem: Warum macht Annika das freiwillig?
Autorenplauderei
Diese Geschichte ist bereit im letzten Sommer entstanden. Was mir fehlte, waren aber ein passender Titel und ein brauchbares Cover. Da lässt sich schwer eine Idee erzwingen, deshalb habe ich das auch gar nicht versucht und die Geschichte einfach ruhen lassen und immer wieder mal zwischendurch gelesen, bis die ersten Einfälle sich entwickelt haben.
Linus’ Handy gab einen kurzen Signalton von sich: Es hatte eine Kurznachricht empfangen. Was ist los?, textete Annika, eines der beiden Mädchen aus der Gruppe von einem halben Dutzend Leuten aus seiner Klasse, mit denen er eigentlich für diesen Nachmittag zum Schwimmen verabredet gewesen war. Eigentlich, denn er hatte kurzfristig absagen müssen; der Garten seiner Großeltern schrie nach einer ordnenden Hand, und Linus war im Augenblick der Einzige, der dafür in Frage kam. Sein Großvater hatte sich vor zweieinhalb Wochen das Bein gebrochen, da war an Gartenarbeit nicht zu denken, und die Großmutter musste sich um ihn und den Haushalt kümmern. Linus’ Mutter musste arbeiten, sie war bei einem Pflegedienst beschäftigt, und bis zum Wochenende konnte der Garten nicht mehr warten. Die Nachbarn beschwerten sich schon, weil Gras und Ranken durch den Zaun wucherten, und Fallobst von den beiden Pflaumenbäumen und dem großen Birnbaum lockte angeblich Schnecken und Wespen an.
Linus kannte die Gartennachbarn seiner Großeltern. Die auf der einen Seite waren nett, sie hatten eine kleine Terrasse und sonst nur Gemüsebeete, zwischen denen ihr kleiner Hund mit Wonne herumtobte. Mit denen gab es bestimmt keine Probleme, dafür aber mit denen auf der anderen Seite. Das waren Spießer, wie sie im Buche standen, der Garten musste immer aussehen wie geleckt, und sowie ein Hälmchen eine Winzigkeit aus der Reihe tanzte, wurde es gleich mit Präzisionswerkzeug der teuren Gartenmarke zur Ordnung gerufen. Da hatte es schon manche Diskussion am Gartenzaun gegeben, weil Linus’ Großeltern nicht einsahen, warum sie ihren Garten genauso steril machen sollten, damit nur ja nichts zu den Nachbarn rübergeweht werden konnte.
Schweren Herzens hatte Linus deshalb die Verabredung zum Schwimmen abgesagt, das aber nur vage damit begründet, dass er etwas Wichtiges zu erledigen hatte. Gartenarbeit, textete er Annika zurück und fasste in zwei kurzen Sätzen zusammen, was Sache war. Er war schon dabei, sich für die Gartenarbeit umzuziehen, und wollte möglichst keine Zeit verlieren. Je früher er anfing, desto größer war die Chance, dass er den Garten bis zum Abend wieder in einem Zustand hatte, den die Nachbarn durchgehen ließen, und am nächsten Tag nicht noch mal hin musste.
Bist du noch zu Hause?, kam es von Annika zurück, kaum dass er das Handy weggelegt hatte, um in seine alten Turnschuhe zu steigen. Fahr gleich los, tippte er einhändig, während er mit dem Zeigefinger der anderen Hand den umgeklappten Rand des linken Schuhs zurechtfingerte. Dann steckte er das Handy in die Tasche, nahm den kleinen Rucksack, den er sonst für Ausflüge benutzte, und ging in die Küche, um etwas zu essen und zu trinken einzupacken. Vor allem Wasser war wichtig, denn Durst würde er mit Sicherheit bekommen, wenn er bei der Wärme schuftete. Oft hatten seine Großeltern zwar etwas zu trinken im Gartenhaus stehen, aber Linus hatte keine Ahnung, ob aktuell was da war, und das Wasser, das dort aus dem Hahn kam, schmeckte ihm nicht.
Nachdem er noch den Ersatzschlüssel für den Garten eingesteckt hatte, der seit Jahr und Tag im Schlüsselkasten neben der Tür hing, verließ er die Wohnung und holte sein Fahrrad aus dem Keller. Er würde wohl eine gute Viertelstunde unterwegs sein, und es gab eine hübsche Steigung zwischendrin, aber die Busverbindungen in diese Richtung waren so schlecht, dass er eher damit eher noch länger gebraucht hätte. Er hätte erst ein Stück in die Gegenrichtung fahren und dann umsteigen müssen, der Anschluss war so knapp, dass er eigentlich nicht zu schaffen war, und von der nächstgelegenen Haltestelle waren es dann doch noch mal fast zehn Minuten zu laufen.
Als er das Rad durch die Haustür auf den Bürgersteig wuchtete, erlebte er eine Überraschung. Vor ihm stand Annika, begrüßte ihn mit einem Lächeln und kam ihm dann entgegen, um ihm die Tür aufzuhalten. Auch sie war mit dem Rad da, es stand zwei Schritte entfernt an der Hauswand. „Danke!“