Svea ist sauer und enttäuscht: Weil sie das Wochenende beim Vater in Hamburg verbringt, kann sie ihrer Fußballmannschaft bei einem wichtigen Spiel nicht helfen, und dann hat ihr Vater nicht mal Zeit für sie.
Um sich abzulenken schaut sie sich die Spiele des nächstbesten Fußballvereins an. Das Mädchen-Team des TSV 34/36 muss eine bittere Schlappe hinnehmen: In Unterzahl und mit vielen jungen und unerfahrenen Spielerinnen ist die Mannschaft chancenlos. Unterstützung wäre höchstwillkommen, und Svea kribbelt es richtig in den Füßen. Aber sie ist ja nur jedes zweite Wochenende in Hamburg, und selbst wenn sie da ist, dürfte sie nicht spielen. Schließlich spielt sie zu Hause bei den Ballfreunden, und eine Spielerin darf immer nur für einen Verein auflaufen, oder? Aber Elena, Sveas Trainerin bei den Ballfreunden, hat da so eine Idee …
Autorenplauderei: Zweitspielrecht
Grundsätzlich ist ein Fußballer oder eine Fußballerin zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur für einen Verein spielberechtigt. Weil es aber Fälle gibt, in denen das für den Spieler extrem ungünstig ist, haben der DFB und die Landesverbände einige Sonderregelungen getroffen, um solche Härten abzufangen. So kann zum Beispiel ein Spieler, der weit weg von seiner Heimat studiert, eine zusätzliche Spielgenehmigung für einen Verein an seinem Studienort bekommen; er kann dann während des Semesters dort spielen und in den Semesterferien bei seinem eigentlichen Verein. Das gleiche gilt für Spieler, die beruflich pendeln. In Sveas Fall, wie er im Buch geschildert wird, greift das Anrecht auf Zweitspielrecht für einen Jugendspieler, der zwischen den getrennt lebenden Elternteilen pendelt.
Hier und da gibt es allerdings auch Fälle, wo das Zweitspielrecht mit seinem Anspruch, Härtefälle zu vermeiden, an seiner eigenen Gestaltung scheitert. Während meiner Recherchen zu diesem Buch habe ich von einem Spieler gelesen, der noch als A-Jugendlicher ein Studium weit weg von zu Hause aufgenommen und kein Zweitspielrecht bekommen hat, weil das Zweitspielrecht für Berufspendler oder Studenten im Jugendbereich nicht vorgesehen ist. Dass die A-Jugend bis 19 Jahre geht, manche Schüler aber schon mit 17 Abi machen, hat von den Machern der Regeln also offenbar niemand bedacht.
Manchmal frage ich mich echt, wozu ich eigentlich nach Hamburg komme. Papa hat mal wieder fast gar keine Zeit, und sonst kenne ich hier kaum jemanden, zumindest nicht richtig.
Jedes zweite Wochenende, immer von Freitagnachmittag bis Sonntagabend, darauf haben Mama und Papa sich geeinigt bei der Scheidung, und die Hälfte der Ferien. Früher hat Papa mich mit dem Auto abgeholt und zurückgebracht, aber kurz nachdem ich zwölf geworden bin, meinte er, ich wäre alt genug, um mit dem Zug zu fahren. Das wäre auch für ihn einfacher, er könnte in der Zeit, die er sonst für den Weg braucht, noch ein paar Sachen erledigen und hätte dann mehr Zeit für mich, sobald ich da bin.
Dass er ab und zu am Wochenende was vorbereiten musste für Kundentermine in der Woche drauf, war immer schon so, aber mir kommt es so vor, als wäre es in letzter Zeit immer mehr geworden. Oder bilde ich mir das nur ein? Nein, die letzten zwei, drei Monate haben wir fast nie was zusammen gemacht, manchmal hab ich ihn kaum zu Gesicht gekriegt.
Bislang hab ich das mehr oder weniger hingenommen, aber heute macht es mich irgendwie wütend. Ich weiß nicht genau, woran es liegt, vielleicht daran, dass meine Fußballmannschaft mich gerade heute dringend bräuchte. Wir spielen gegen die Eintracht, die derzeit Tabellendritter ist, und könnten mit einem Sieg vorbeiziehen. Normalerweise vertritt mich Milena auf der Doppelsechs neben Elin, aber sie fehlt heute auch; ihre ältere Schwester heiratet, da muss und will sie natürlich dabei sein. Ich vermute, Elena wird Joana aufstellen, die ist zwar erst zehn, aber das gilt für Nele auch, und Paula und Jaqueline sind außen besser als im Zentrum.
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Mit Papa ist heute echt nichts anzufangen. Nicht mal für ein gemeinsames Mittagessen mit mir hat er Zeit, er macht sich nur schnell ein Brötchen fertig und verschwindet wieder in seinem Büro. Weil ich keine Lust habe, allein in der Küche zu sitzen, mache ich mir dann auch nur was zu essen fertig für unterwegs. Ich hab das Gefühl, mir fällt die Decke auf den Kopf, vielleicht wird’s ja besser, wenn ich eine Weile rausgehe.
Ich laufe los ohne Plan, denn Freunde, mit denen ich mich treffen könnte, hab ich hier in Hamburg nicht. Natürlich kenne ich ein paar Leute aus der Nachbarschaft, die in meinem Alter sind, und manchmal hab ich auch schon was mit denen gemacht, aber irgendwie hab ich mich dabei immer wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt. Oder wie eine, die in den vorläufigen WM-Kader berufen wurde und genau weiß, dass sie noch aussortiert wird. Ist ja kein Wunder, man macht einen Nachmittag was, geht schwimmen oder so, und dann bin ich wieder zwei Wochen weg und krieg nicht mit, was hier abgeht.
Eher zufällig schlage ich den Weg zum Sportplatz ein. Na, wenn ich schon da bin, kann ich ja mal gucken, ob da heute gespielt wird. Ich hab keine Ahnung, wie viele Jugendmannschaften der TSV 34/36 überhaupt hat und in welchen Ligen sie spielen, aber ich wäre auch mit einem Grottenkick zufrieden, wenn er mich eine Weile ablenkt.
Der Sportplatz liegt am Waldrand, sehr angenehm für die Spieler auf der Außenbahn, die im Sommer eine Halbzeit im Schatten spielen können und im Herbst etwas wind- und regengeschützt sind. Es gibt einen Flachbau, in dem die Kabinen untergebracht sind, und einen Baucontainer mit Kiosk und Büro, aber weder ein Vereinsheim, noch eine Tribüne. Auf der Waldseite ist ein kleiner Wall aufgeschüttet, da steht man etwas erhöht, und ein paar Bänke gibt’s auch. Alles gepflegt, da kann man nicht meckern, aber man sieht, dass es alt ist. Ich kenne auch keinen anderen Fußballplatz, bei dem Torpfosten und Latten tatsächlich noch aus Holz sind. Früher hab ich hier manchmal ein paar Bälle aufs leere Tor geknallt, abgeschlossen wird der Eingang nicht.
Im Moment ist noch nicht viel los, aber die Tür zum Kabinenbau steht offen, und der Kiosk macht anscheinend gerade auf. Auf dem Rasen bolzen ein paar Jungs, D-Jugend, schätze ich.
Neben dem Eingang gibt es einen Schaukasten, in dem nicht nur eine Liste mit den Trainingszeiten der Mannschaften und den E-Mail-Adressen der Trainer aushängt, sondern auch ein Spielplan für dieses Wochenende. Die D-Jugend und die Mädchen spielen heute zu Hause, direkt hintereinander um zwei und um viertel nach drei. Alle anderen Mannschaften müssen entweder auswärts antreten oder sind spielfrei. Wenn mir morgen früh immer noch oder schon wieder langweilig ist, kann ich mir auch noch das Spiel der A-Jugend ansehen.
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Bei den Mädchen deutet nicht viel auf einen Heimsieg hin. Die Mannschaft ist noch sehr jung, ich schätze, von den Mädchen, die da auf dem Platz stehen, sind gerade mal zwei so alt wie ich oder älter. Die Hälfte sieht so aus, als dürften sie noch in der E-Jugend spielen, mindestens eine vielleicht sogar in der F-Jugend. Außerdem sind sie nur zu zehnt, aber Sorgen scheinen sie sich deswegen nicht zu machen.