Rein zufällig schaut Marnie ihrem Vater über einen Moment über die Schulter, als er alte Fotos sortiert. Doch dieser Moment könnte ihr Leben auf den Kopf stellen. Zusammen mit ihrer besten Freundin Liliana macht sie sich auf, vielleicht ihre Familiengeschichte neu zu schreiben.
Autorenplauderei: Mehr Eigenbau
Wer dieses Buch mit meinen früheren Veröffentlichungen vergleicht, wird Unterschiede in der Textgestaltung feststellen. Das ist kein Zufall, sondern bedingt durch den Wechsel des Werkzeugs, mit dem das Buch erstellt wurde. Bislang bot BoD, der Dienstleister, über den ich meine Bücher in den Handel bringe, einen Online-Editor an, mit dem E-Books gestaltet werden konnten, und ich habe dieses Angebot gern genutzt, weil ich zu Anfang nicht viel Ahnung davon hatte, wie ein E-Book zusammengesetzt ist. Dieser Editor wird nun jedoch eingestellt, ich muss also auf andere Editoren zurückgreifen, um die E-Books zu erstellen. Mittlerweile schreckt mich das jedoch nicht mehr, weil ich inzwischen weiß, dass „unter der Haube“ alte Bekannte stecken, vor allem HTML, mit dem ich gut umgehen kann. Insofern ist die Umstellung für mich kein Problem, zumal ich mit Klassenfahrt? – Wir machen das! ja bereits ein Buch mit ungewöhnlicher Gestaltung außerhalb des BoD-Editors erstellt habe.
Technisch wäre es ein Kinderspiel, das bekannte Layout zu übernehmen. Allerdings steht dem das Copyright entgegen, das BoD auf diesen Entwurf hat, und ganz ehrlich, wenn ich das E-Book schon anderweitig gestalte, dann möchte ich auch komplett mein eigenes Ding machen. Da wird sich sicherlich im Lauf der Zeit einiges entwickeln, und auch wenn mich die Nachricht von der Abschaffung des Online-Editors zunächst unangenehm überrascht hat, freue ich mich irgendwie auch, dass ich so einen Anlass habe, mehr Experimente zu wagen. Leid tut es mir allerdings für jene Autoren, die sich weniger gut in den nötigen Techniken auskennen, denn gerade für die war der Editor von BoD sicherlich eine wertvolle Hilfe.
Eigentlich war Marnie auf dem Weg in die Küche, doch als ihr Blick durch die offene Tür ins Schlafzimmer fiel, stutzte sie. Dass ihr Vater am Computer saß, wunderte sie nicht, er arbeitete öfter von zu Hause aus und hatte sich dafür extra die kleine Büroecke eingerichtet. Allerdings hatte er dann irgendwelche Excel-Dateien und Dokumente auf dem Bildschirm, keine Fotos, die noch dazu ziemlich irre aussahen. Die obere Hälfte des Bilds war ein ganz normales Urlaubsfoto, irgendwo am Strand, aber das Meer in der unteren Hälfte war knall-lila mit einem quietschgrünen Rand.
„Was ist das denn?“, fragte sie. „Hast du Urlaub in einem Spiel gemacht, oder was?“ Ihr Vater schaute auf und grinste verlegen. „Schön wär’s!“, sagte er. „Dann hätte ich jetzt weniger Arbeit. Nein, das ist ein Programm, das gelöschte Dateien wieder herstellen kann. Ich war zu schnell mit dem Löschen und hab nicht gemerkt, dass ich Dateien markiert hab, die ich noch brauche.“ „Sortierst du Bilder?“, folgerte Marnie, doch ihr Vater schüttelte den Kopf. „Nein, alte Steuerunterlagen. Ich will im Januar direkt mit der Steuererklärung anfangen, und ich dachte, ich lösche mal den ganzen Kram, den wir wirklich nicht mehr aufzuheben brauchen. Uralte Handwerkerrechnungen und so. Aber das Programm sucht ziemlich gründlich, das findet auch Sachen, die schon vor Jahren gelöscht wurden. Das Foto ist zum Teil überschrieben worden, deshalb das ganze Lila und Grün.“
Marnie schaute genauer hin, aber sie interessierte weniger das, was offenbar nicht mehr lesbar war, als vielmehr der unbeschädigte Teil. Dort war ihr Vater zu sehen, ein gutes Stück jünger noch, und im Arm hielt er eine Frau. „Wer ist denn das?“, fragte Marnie neugierig. Für einen kurzen Augenblick hatte sie Angst, dass ihr Vater eine Geliebte hatte, aber das war Unsinn. Erstens war sie sicher, dass er nur ihre Mutter liebte, und zweitens wäre er bestimmt nicht so gelassen gewesen, wenn sie dabei gewesen wäre, einen Seitensprung aufzudecken.