Der Plan für die Geburtstagsparty von Sannes kleinem Bruder steht: Geocaching im Wald und zum Abschluss Grillen. Zusammen mit ihrer Mutter hat Sanne die Strecke festgelegt, Verstecke ausgesucht und Rätsel erdacht. Ganz sicher werden Kasper und seine Freunde irre viel Spaß haben!
Doch dann durchkreuzt ein scheint’s wahnsinniger Autofahrer die Pläne. Mit eingegipstem Arm und kaputtem Knie kann Sannes Mutter weder die Kinder begleiten, noch den Grill aufbauen oder den Tisch decken. Notgedrungen übernimmt Sanne die ganze Verantwortung, aber allein ist die Feier kaum zu stemmen. Das weiß auch Sannes Mutter, und sie hat sich bereits um jemanden gekümmert, der Sanne unterstützt. Zum Glück nicht Tante Inga, die Sanne nicht leiden kann, aber der Junge von nebenan wäre Sanne auch nicht direkt eingefallen. Trotzdem ist Nicolai nicht bloß ein Notnagel …
Autorenplauderei: Geocaching
Geocaching ist eine moderne Version dessen, was frühere Generationen als „Schnitzeljagd“ kannten. Anhand von Geokoordinaten (das sind Zahlenkombinationen, mit denen sich jeder Punkt auf der Erde exakt angeben lässt), wird das Versteck eines sogenannten Caches (im Deutschen meist „Schatz“ genannt) gesucht. In der Regel liegt im Versteck ein Notizbuch, in das man sich als Finder eintragen kann, und eine kleine Schatzkiste mit irgendwelchem Kleinkram. Wer den Cache findet, nimmt sich eine Belohnung aus dem Schatzkistchen, legt dafür aber auch selbst etwas hinein, sodass niemand leer ausgeht. Manchmal gibt es in einem Cache auch neue Koordinaten, die den Finder oder die Finderin zu einem weiteren Cache führen.
Manche Geocacher haben spezielle Geräte, um sich zu den Koordinaten führen zu lassen, aber Smartphone-Apps tun es auch, im Prinzip sogar eine normale Navi-App, wenn sie mit Koordinaten umgehen kann. Wo Caches zu finden sind, kann man auf vielen Internetseiten nachlesen, auf denen Caches aufgelistet sind, oft nicht nur mit den Koordinaten, sondern auch mit Beschreibungen des Geländes und des Weges. Das sollte man sich auf jeden Fall angucken, denn manche Verstecke sind nicht ganz ungefährlich. Auch wenn der Großteil der Geocacher, die selbst Caches anlegen, die Verstecke mit Bedacht auswählt, gibt es leider auch einige, die Caches an riskanten Orten verstecken, an denen man sich verletzen kann, oder an Orten, die eigentlich nicht betreten werden dürfen.
Alles in allem ist Geocaching aber ein perfektes Hobby für Leute, die gern draußen unterwegs sind und Spaß daran haben, Rätsel zu lösen.
Zwangslage hieß auf Französisch „situation embarrassante“, ging es Sanne durch den Kopf. Seit acht Wochen lernte sie intensiv Französisch, seit ihre beste Freundin Lillith sie eingeladen hatte, in den Sommerferien mit ihr zu ihrer Tante in die Provence zu fahren. Zwar hatte sie schon seit drei Jahren Französisch in der Schule, trotzdem wäre sie verloren gewesen, wenn sie sich damit hätte durchschlagen müssen. Ihre Lehrerin war mit den Gedanken meistens woanders und schweifte immer wieder ab, so kam der Kurs mit dem Stoff einfach nicht voran.
Aber wahrscheinlich hatte sich die Frage ohnehin erledigt, obwohl die Karten für den TGV schon gebucht waren und Sanne sogar schon ein paar Sachen bereitgelegt hatte, die sie mitnehmen wollte. Zwei Wochen waren es noch bis zum Beginn der Ferien, und gleich am ersten Ferientag sollte es losgehen. Doch ein Typ, der sich für den König der Straße hielt, drohte alle Pläne über den Haufen zu werfen, ein Geschäftsmann, der sich für zu wichtig hielt, um sich an Regeln zu halten, und die Bußgelder für seine Raserei eingepreist hatte.
Aufs Gas zu treten, wenn vor ihm die Ampel von Grün auf Gelb und weiter auf Rot sprang, gehörte für ihn offensichtlich zum guten Ton. Doch damit hatte Sannes Mutter unmöglich rechnen können, als sie angesetzt hatte, die Straße zu überqueren. Die Fußgängerampel hatte bereits Grün gezeigt, der Autoverkehr also ganz sicher längst Rot gehabt. Nur mit einem Satz rückwärts hatte Sannes Mutter verhindern können, dass der Raser sie erfasste. Es gab genug Zeugen, die gesehen hatten, dass sie garantiert nicht bei Rot und ohne auf den Verkehr zu achten auf die Straße gelaufen war, wie der Typ behauptete.
Mit dem Sprung nach hinten hatte Sannes Mutter einen Zusammenstoß vermieden, der für sie leicht tödlich hätte ausgehen können. Vielleicht hätte sie sich sogar gar nichts getan, wäre nicht hinter ihr ein kleines Mädchen auf seinem Tretroller gewesen, das ebenfalls die Straße überqueren wollte. Sannes Mutter war über das Kind gestürzt, das hatte der Kleinen, die so gerade noch gestoppt worden war, ehe sie unters Auto kommen konnte, vermutlich das Leben gerettet. Bei der Landung auf dem Pflaster hatte Sannes Mutter sich den Arm gebrochen, und das rechte Knie war geprellt, sodass sie auch kaum laufen konnte.
Bis jetzt hatten Sannes Eltern noch nichts davon gesagt, dass der Urlaub mit Lillith ausfallen oder wenigstens verschoben werden müsste. Aber Sanne war sicher, dass das noch kommen würde, denn sie merkte ja, wie sehr ihre Hilfe im Haushalt gebraucht wurde. Sie hatte so oder so ihre Aufgaben, aber seit dem Unfall war viel dazugekommen, was sonst nicht in ihre Zuständigkeit fiel: Sie kochte das Essen, wusch Wäsche und erledigte vieles mehr, und das würde mit Beginn der Ferien nicht aufhören. Ihre Mutter würde bis dahin garantiert noch nicht so weit wiederhergestellt sein, dass sie den Haushalt wieder machen konnte.
***
Als ihre Mutter Sanne drei Tage nach dem Unfall nachmittags an die Seite nahm, war der anstehende Frankreich-Urlaub noch kein Thema. Stattdessen drückte ein anderes Problem, das zügig geklärt werden musste: der Geburtstag von Sannes Bruder. Kasper würde am nächsten Tag neun werden, und für den kommenden Samstag war eine Feier mit seinen Freunden geplant. Sannes Mutter stand nun genau vor dem, was Sanne in Gedanken ins Französische übersetzte, nämlich dem Dilemma, die Feier entweder um Wochen zu verschieben, vielleicht sogar bis nach den Ferien, damit alle Freunde dabei sein konnten, oder aber Sanne die gesamte Verantwortung aufzubürden.