Autorenseite René Bote

Nur Fliegen ist schöner!

Eigentlich war ich in Südtirol auf der Suche nach Fotomotiven für das Cover eines Buches, das demnächst erscheinen soll (dazu später mehr), aber wie das manchmal so ist, sprang mich auf einer Wanderung eine kleine Geschichte an. Das ist der Grund, warum mein Notizblock zu einem ständigen Begleiter geworden ist – gemütlich auf der Bank vor einer Almhütte sitzend, konnte ich die unterwegs entwickelte Idee direkt aufschreiben. Ich stelle die Geschichte so ein, wie ich sie notiert habe, nur etwas formatiert. Viel Spaß beim Lesen!
Anstelle eines Titelbildes stelle ich hier einfach mal den Ausblick hin, den ich hatte, wenn ich während des Schreibens vom Block aufgeschaut habe.

Cover der Kurzgeschichte Nur fliegen ist schöner!

„Eigentlich müsste es das überall geben“, dachte Carlotta noch, zu Fuß zur Alm wandern und dann geschwind mit dem Schlitten wieder runter. Dann rummste es plötzlich, und der Schlitten holperte ohne Fahrerin weiter.

 

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„Nur Fliegen ist schöner!“, dachte Bastian noch. Dann rummste es plötzlich, und er lag der Länge nach im Schnee.

 

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Carlotta rappelte sich auf und klopfte sich den Schnee von den Klamotten. „Kannst du nicht aufpassen?“, fauchte sie den Jungen an, der aus dem anderen Ast der Gabelung gekommen war und sie mit Vollspeed gerammt hatte. „Du hast doch gesehen, dass ich komme!“ „Pass du doch auf!“, gab der Junge garstig zurück, während er mit behandschuhten Händen die Vorderseite seines Schneeanzugs abklopfte. „Ich war auf dem Hauptweg!“, verwahrte sich Carlotta. „Ich kann doch nicht damit rechnen, dass du einfach durchfährst!“

 

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So ein Quatsch! „Schon mal was von ‚rechts vor links‘ gehört?“, konterte Bastian. „Ich kann doch nicht damit rechnen, dass du die Vorfahrtsregeln nicht kennst!“ „Quatsch!“, gab das Mädchen zurück.

 

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Ein kurzes Schweigen entstand. Es schien alles gesagt, und es war klar, dass keiner von beiden von seiner Meinung abrücken würde. „Wenn wir endlich geklärt haben, dass du mich doof findest, und ich dich, könne wir dann vielleicht endlich mal weiterfahren?“, brummte Carlotta dann. Ohne auf eine Antwort zu warten, stapfte sie los, um den Schlitten einzusammeln, der zum Glück nach ein paar Metern vom Weg abgekommen und im Schnee stecken geblieben war. Das hätte noch gefehlt, dass der ohne sie bis ins Dorf runterrutschte!

 

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Bastian hatte keine Lust, sich die Laune und die schöne lange Abfahrt verderben zu lassen. Er stellte den Schlitten wieder auf die Kufen, setzte sich drauf und stieß sich ab. Er fuhr an dem Mädchen vorbei, das gerade seinen Schlitten aus dem Tiefschnee zerrte, und nahm richtig Tempo auf.

 

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Wollte der Typ jetzt ein Rennen fahren? Das konnte er haben, und so schnell wie er war sie allemal. Energisch stellte Carlotta den Schlitten richtig hin, schob ihn an und saß auf, fast so wie die Olympioniken im Eiskanal. Schnell hatte sie ihren Kontrahenten eingeholt und zog an ihm vorbei.

 

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Was sollte das denn jetzt werden? wunderte Bastian sich. Ein Pistenrennen? Aber immer doch! Er gab seinem Schlitten die Sporen und verkürzte den Rückstand, bis er das Mädchen fast wieder ein hatte. „Na warte!“, wollte er rufen, und „Ich bin schneller als du!“ Doch stattdessen rief er aus dem Bauch heraus: „Warte mal!“

 

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Nanu? Sollte das ein Trick sein, damit sie ihn nicht komplett abhängte? Aber irgendwas veranlasste Carlotta, tatsächlich abzubremsen, bis der Junge neben ihr war. „Was ist?“, fragte sie und versuchte es gelangweilt klingen zu lassen. So ganz gelang es ihr nicht.

 

„Wollen wir zusammen fahren?“, fragte der Junge. „Ist doch lustiger. Übrigens, ich bin Bastian.“ „Ich heiße Carlotta“, antwortete Carlotta. „Bisschen mehr Tempo?“ „Immer“, antwortete Bastian, und schon sausten sie wie ein Doppelblitz nebeneinander den Weg hinunter.

 

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Die Abfahrt dauerte ganz hübsch lange, aber irgendwann kam leider doch das Dorf und damit auch das Ende der Schlittenpartie in Sicht. „Absprung?“, rief Carlotta, als sie das Ende der Rodelpiste fast erreicht hatten. „Absprung!“, rief Bastian zurück.

 

Beide sprangen zur gleichen Zeit ab und ließen den Schlitten in den Holzzaun rutschen. Kopfüber landeten sie in einer Schneewehe.

 

„Klasse!“, grinste Carlotta, als sie wieder auftauchte. „Spitzenklasse!“, grinste Bastian mit Schnee an der Mütze. „Morgen wieder?“ „Morgen wieder!“