Autorenseite René Bote

Schnitzeljagd mit Fetzenschädeln

Cover des Buchs Schnitzeljagd mit Fetzenschädeln
7. September 2015
36
978-3738641349
Books on Demand

Eigentlich hatte ich auf eine Schnitzeljagd sowieso keine Lust, aber seit ich weiß, mit wem ich in einer Gruppe bin, ist meine Laune total im Keller. Die beiden Fetzenschädel, mit denen unser Lehrer mich zusammengelost hat, kenne ich schon seit dem Kindergarten, und da haben wir uns schon mit dem Schüppchen verhauen.

Nadine könnte gut darauf verzichten, mit ihren beiden Klassenkameraden auf Schnitzeljagd zu gehen. Aber sie hat keine Wahl, das Los hat es so bestimmt, und als ein unglücklicher Zufall die drei in große Gefahr bringt, müssen sie sich zusammenraufen, denn eins ist klar: Nur zusammen haben sie eine Chance, mit heiler Haut aus der Sache rauszukommen.

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Eigentlich hatte ich auf eine Schnitzeljagd sowieso keine Lust, aber seit ich weiß, mit wem ich in einer Gruppe bin, ist meine Laune total im Keller. Es sind alles Dreiergruppen, und unser Klassenlehrer hat sie einfach ausgelost. Herr Schulz-Elling meint, weil wir noch nicht so lange in einer Klasse wären und unsere Klassenfahrt schließlich eine Kennenlernfahrt wäre, sollten sich nicht die zusammentun, die sich schon aus der Grundschule kennen. Hat ja toll geklappt! Die beiden Fetzenschädel, mit denen er mich zusammengelost hat, kenne ich nicht erst seit der Grundschule, sondern schon aus dem Kindergarten, und da haben wir uns schon mit dem Schüppchen verhauen.

Fetzenschädel Nummer 1 heißt Fabian und ist zwar stark, aber nur in den Armen. Im Armdrücken schlägt er alle, das haben die Jungs in der Klasse gleich nach den Sommerferien ausgefochten, und beim Ballwurf kommt er am weitesten von allen. Dafür hapert’s im Kopf, ich wette, von den Rätseln, die wir unterwegs knacken sollen, wird er kein einziges lösen.

Fetzenschädel Nummer 2 ist schlicht eine Trantüte. Bis Jan mal in die Puschen kommt, dauert es ewig, egal wobei, der wird mir auch keine große Hilfe sein. In der Schule fragen die Lehrer ihn schon kaum noch was, weil sie keine Zeit haben, auf die Antwort zu warten. Wenn ich drauf warte, dass er die Rätsel löst, die uns zu den einzelnen Stationen führen sollen, dann sind wir morgen früh noch unterwegs.

Die Aussicht, die beiden ab sofort den gesamten Nachmittag an der Backe zu haben, gefällt mir so gut wie eine Glasscherbe im Fuß. Das ist meiner Freundin Melanie letztes Jahr passiert, und es muss fürchterlich weh getan haben. Außerdem hat sich die Wunde auch noch entzündet, es hat Wochen gedauert, bis Melanie wieder richtig laufen konnte.

Herr Schulz-Elling lässt sich natürlich nicht umstimmen. Meinen Hinweis, dass ich die Fetzenschädel – das Wort benutze ich vor ihm natürlich nicht – doch schon ewig kenne, weist er damit zurück, dass das Los eben so entschieden hätte. Außerdem ließe es sich nun mal auch nicht ganz vermeiden, dass in einigen Gruppen welche sind, die sich schon länger kennen, weil die meisten in der Klasse aus dem gleichen Stadtteil kommen und auf einer der beiden Grundschulen da waren. Keine Chance, die Fetzenschädel loszuwerden.

Missmutig nehme ich den Zettel mit den Fragen und Aufgaben in Empfang, die wir beantworten und erledigen sollen. Die Aufgaben sind für alle Gruppen gleich, aber es gibt keine bestimmte Reihenfolge, in der sie gelöst werden müssen. Wir haben gut vier Stunden Zeit, um so viele Aufgaben wie möglich zu lösen, und für jede Aufgabe gibt es Punkte. Wie viele Punkte es für eine Aufgabe gibt, hängt davon ab, wie schwer sie ist, und steht auf dem Zettel drauf.

Damit geht der Streit schon los, denn Fabian will die Aufgaben, die die meisten Punkte bringen, zuerst lösen und dann gucken, ob noch Zeit ist. Ich finde aber, wir sollten besser erst mal gucken, wo wir überhaupt eine Ahnung haben, wo wir hin müssen, und dann auch die kleinen Aufgaben mitnehmen. Das bringt uns genauso viele oder sogar mehr Punkte ein, als wenn wir nur den großen Aufgaben nachhetzen und dabei viel Zeit mit den Wegen vergeuden.

Während ich noch versuche, Fabian klarzumachen, dass es Unsinn wäre, an Stationen vorbeizurennen, nur weil sie nicht so viele Punkte bringen, sind andere Gruppen schon unterwegs. Mareike, Felix und Leyla, die sich tatsächlich erst hier in der 5b kennengelernt haben, sind schon auf und davon, auch Paul, Ahmed und Imre joggen schon vom Hof. Sie sind das einzige Trio aus lauter Jungs, das bei der Verlosung rausgekommen ist, alle anderen Gruppen sind gemischt.

Wir sind siebenundzwanzig in der Klasse, vierzehn Mädchen und dreizehn Jungen. Das bedeutet also, dass es neun Gruppen gibt, und jede bekommt außer dem Zettel mit Fragen und Aufgaben einen Stadtplan mit. Das sind so welche von der Sorte, die’s für Touristen kostenlos gibt, mit viel Werbung um die Karte und auf der Rückseite. Die Karte ist in Planquadrate aufgeteilt, und auf dem Aufgabenzettel steht, in welchen wir rumlaufen dürfen. Das ist schon ein ganz schön großes Gebiet, die Umgebung der Jugendherberge, das Dorf, zu dem sie gehört, zwei kleinere Ortsteile, die etwas entfernt liegen, und ein bisschen was drumherum. Wenn wir da vom einen Ende zum anderen wollen, sind wir eine gute halbe Stunde unterwegs, schätze ich, und man kann sich ausrechnen, wie viele Aufgaben wir schaffen, wenn wir immer quer durch den Stationen nachhetzen, die die meisten Punkte bringen. Außerdem wollen die Aufgaben auch erst mal gelöst werden, und die, für die es die meisten Punkte gibt, sind sicherlich auch die schwersten.

Ich muss etwas grob werden, um die Fetzenschädel dazu zu bringen, erst mal die Rätsel und Aufgaben durchzulesen, ehe sie losrennen. „Mann, Nadine!“ mault Fabian mich an. „Die anderen sind auch schon unterwegs!“ „Nicht alle!“ korrigiere ich ihn und zeige nach rechts und links, damit er sich selbst davon überzeugt. „Und ich wette, die, die sofort losgerannt sind, stehen hinterher blöd in der Gegend.“

Die Fetzenschädel murren, die Fetzenschädel knurren, aber ihnen fällt kein Grund mehr ein, sofort loszurennen, außer ihrer Ungeduld. Dass ich mich davon nicht beeindrucken lasse, haben sie gemerkt, und deshalb kommen sie endlich mit in eine ruhige Ecke des Hofs vor der Jugendherberge.

Die Fragen, die Herr Schulz-Elling uns stellt, klingen auf den ersten Blick gelinde gesagt reichlich merkwürdig. Zum Beispiel: Drei Löcher weniger, als ein Würfel Augen hat. Wo hängt das Netz? Anderes Beispiel: Blutige und Eitrige: Wer am Platze hat’s? So sehen die Fragen alle aus, da muss man echt alles auseinandernehmen und ganz genau überlegen, was damit gemeint sein könnte.