Jedes Mal, wenn Isabelle Dienst in der Schulbibliothek hat, ist Dominik da, um Bücher zu leihen. Er muss wirklich ein Wahnsinnstempo haben beim Lesen! Doch je mehr Isabelle darüber nachdenkt, desto mehr Fragen hat sie. Und dann leiht Dominik plötzlich kein einziges Buch mehr aus …
Autorenplauderei: Das Buch im Buch
In einem Buch, in dem Bücher eine große Rolle spielen, bleibt es nicht aus, dass Titel erwähnt und Inhalte diskutiert werden. Das stellt mich natürlich vor die Herausforderung, entsprechende Bücher auszuwählen oder auszudenken. Ich habe mich in diesem Fall dazu entschieden, an Stellen, wo ein Buch nicht nur allgemein erwähnt, sondern auf den Inhalt eingegangen wird, ein paar meiner eigenen Bücher zu verwenden. Wer also meine früheren Bücher kennt, wird eine ganze Reihe von mehr oder weniger deutlichen Anspielungen finden.
Wie an jedem Montagmorgen loggte Isabelle sich um exakt zwei Minuten vor halb zehn in den Computer der Schulbibliothek ein. Die erste große Pause am Montag und die zweite am Donnerstag, das waren ihre Schichten. In diesen beiden Pausen saß sie jede Woche in der kleinen Schulbibliothek und hielt fest, wer welches Buch auslieh oder zurückbrachte. Damit sie pünktlich da sein konnte, durfte sie jeweils fünf Minuten vor dem Klingeln schon gehen.
Isabelle ging in die 5. Klasse, in die 5b, um genau zu sein. Als ihre Klassenlehrerin am Anfang des Schuljahres gefragt hatte, ob jemand Lust hatte, in der Bibliotheksgruppe mitzumachen, da hatte sie sich spontan gemeldet. Sie war selbst eine Leseratte, vor allem Abenteuer und Fantasy verschlang sie regelrecht.
Die Arbeit in der Schulbibliothek machte ihr Spaß. Bezahlt wurde sie dafür nicht, selbst die kleinen Feiern, zu denen die Helfer immer im Advent und kurz vor Ende des Schuljahres eingeladen wurden, bezahlte Frau Burschke, die für die Bibliothek verantwortlich war, aus eigener Tasche. Das winzige Budget, das die Schule jedes Jahr für die Bibliothek ausklinkte, reichte gerade eben, um wenigstens eine Handvoll aktueller Bücher anzuschaffen. Allein damit hätte man die Regale auch nicht annähernd füllen können, die meisten Bücher waren gespendet worden.
Das bedeutete zwangsläufig, dass viele Bücher in der Bibliothek schon älteren Datums waren. Bei manchen lag das Erscheinungsdatum vielleicht fünf, sechs Jahre zurück, aber es gab auch welche, die etliche Jahrzehnte auf dem Buckel hatten. Zum Teil waren das Klassiker, Otfried Preußler, Kästner und andere, aber auch kaum oder gar nicht mehr bekannte Bücher.
Trotz des nicht durchgehend modernen Angebots wurde die Bibliothek gut angenommen. Es waren keine Schülermassen, die in das umgestaltete Klassenzimmer im ersten Stock des Schulgebäudes pilgerten, aber Isabelle konnte sich auch an keine einzige Pause entsinnen, an denen nicht wenigstens einer oder zwei da gewesen waren.
Viele, die kamen, waren Stammgäste. Von den meisten kannten Isabelle inzwischen die Namen und konnte darauf verzichten, sich zur Kontrolle den Schülerausweis zeigen zu lassen. Sie machte den Job jetzt ja auch schon über ein halbes Jahr, irgendwann hatte man die Namen von denen, die regelmäßig Bücher ausliehen, einfach drauf.
Isabelle hatte gerade das Programm geöffnet, in dem die Bücher verwaltet wurden, als schon der erste „Kunde“ hereinkam. Er hieß Dominik und ging in die 5a, ihre Parallelklasse. Sie kannte ihn etwas, weil sie im gleichen Relikurs saßen, aber direkt befreundet waren sie nicht, obwohl sie schon glaubte, dass er ganz in Ordnung war. Auf jeden Fall war er immer freundlich, wenn er in die Bibliothek kam, und er kam oft in letzter Zeit. In den vergangenen vier Wochen, mindestens, war er in jeder Pause da gewesen, in der Isabelle Dienst gehabt hatte, wirklich in jeder. Was musste der für ein Lesetempo haben!
Auch an diesem Tag hatte er drei Bücher in der Hand, die er zurückgeben wollte. Alle hatte er erst am Donnerstag zuvor ausgeliehen; das wusste Isabelle zwar nicht auswendig, aber das Programm zeigte es ihr an, als sie die Inventarnummern eingab, um die Rückgabe zu vermerken.