Autorenseite René Bote

Filmdiebe

Cover des Buchs Filmdiebe
25. April 2016
55
978-3842352100
Books on Demand

Cassie und ihre Freundinnen Nora und Jasmila drehen mit Begeisterung Kurzfilme und sind auch richtig gut darin. Klar, dass sie beim Kurzfilmwettbewerb mitmachen, und sie haben auch schon ein spannendes Drehbuch. Doch gerade als sie die schwierigste und wichtigste Szene für ihren Film gedreht haben, wird Cassies Kamera geklaut. Für Cassie steht fest: Das können nur Patrick und Moritz gewesen sein, die auch scharf auf den Hauptpreis sind! Das können die Mädchen natürlich nicht auf sich sitzen lassen, doch dann gerät ihre Rache völlig außer Kontrolle. Wenn ihnen nicht ganz schnell etwas einfällt, dann schafft es keiner der beiden Filme in den Wettbewerb.

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Gelangweilt saß Cassie in der Warteecke des Friseursalons und blätterte lustlos die Tageszeitung vom Vortag durch, während sie darauf wartete, an die Reihe zu kommen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann hätte der Friseurbesuch auch noch ein oder zwei Wochen Zeit gehabt, aber ihre Mutter fand, dass die langen, braunen Locken dringend mal wieder gebändigt werden mussten.

Cassie hatte gehofft, dass es wenigstens schnell gehen würde, so dass sie mit dem Rest des Nachmittags noch etwas anfangen konnte, aber da hatte sie an diesem Tag kein Glück. Zwei andere Kundinnen würden noch vor ihr dran sein, die, die gerade auf dem Stuhl saß, nicht mitgerechnet, und die Inhaberin des Ladens hatte keine Angestellte da, die ihr half.

Cassie hieß mit vollem Namen Cassandra, wurde aber von den allerwenigsten so genannt. Sie ging in die sechste Klasse, war im Tischtennisverein und lebte allein mit ihrer älteren Schwester Silvia und ihrer Mutter. Ihr Vater hatte die Familie verlassen, als sie sechs Jahre alt gewesen war, und Cassie sah ihn selten, weil er in eine andere Stadt gezogen war. Außerdem ging ihr bei jedem Besuch ihre fünfjährige Halbschwester auf die Nerven, die er mit seiner neuen Freundin bekommen hatte.

Ungefähr zehn Minuten nachdem Cassie hereingekommen war, verabschiedete die Friseurin die ältere Dame, der sie eine Dauerwelle gelegt hatte, und bat die nächste Kundin auf ihren Stuhl. Waschen, schneiden, Strähnchen färben, das konnte dauern. Cassie seufzte und überflog mit wenig Interesse den Lokalsport, in dem Mitte Mai der Saisonendspurt im Fußball dominierte.

Die Schere der Friseurin begann wieder zu klappern, und Cassie blätterte weiter. Nach dem Lokalsport kam die Kulturseite, die sie auch nicht gerade vom Hocker riss. Was da an Büchern, Filmen und Theaterstücken besprochen wurde, war meistens absolut nicht ihr Geschmack, so dass sie auch hier nur die Überschriften überflog.

Sie wollte abermals umblättern, in der Hoffnung, endlich mal auf etwas interessantes zu stoßen, und stutzte. Ziemlich weit unten auf der Kulturseite und leicht zu übersehen, wenn man die Seite nur flüchtig streifte, stand ein Artikel, der tatsächlich interessant war: ein Aufruf zur Teilnahme an einem Jugendfilmwettbewerb. Ein Amateurfilmverein lud Kinder und Jugendliche dazu ein, einzeln oder in kleinen Gruppen kurze Filme zu drehen und auf einer bestimmten Internetseite hochzuladen. Eine Jury würde die besten Beiträge auswählen, und mehrere Sponsoren, die im Text entsprechend gewürdigt wurden, lobten attraktive Preise aus. Dem Siegerteam winkte ein verlängertes Wochenende in Berlin mit allem Drum und Dran einschließlich einer Führung durch die Filmstudios Babelsberg, auf die dahinter Platzierten warteten verschiedene kleinere Preise wie Kameras und Kinogutscheine.

Cassie pfiff durch die Zähne, so dass die Kundin, die noch neben ihr in der Warteecke saß, sie erstaunt von der Seite ansah. Das war doch mal was! Da würde sie mitmachen, gar keine Frage.

Cassie besaß eine gute Videokamera und hatte zusammen mit ihren besten Freundinnen Nora und Jasmila schon eine ganze Reihe von Filmen gedreht. Im Familien- und Freundeskreis wurden diese Filme regelmäßig gelobt; allerdings waren Eltern, Geschwister und Freunde bislang auch ihr einziges Publikum, denn die Filme bei Youtube oder auf anderen Videoplattformen im Internet hochzuladen, hatten die Eltern ihnen verboten.

Dass bei dem Wettbewerb auch Leute mitmachen würden, die mehr Erfahrung, noch bessere Ausrüstung und auch bei Kostümen, Requisiten und Drehorten ganz andere Möglichkeiten hatten, war Cassie klar. Trotzdem glaubte sie an ihre Chance, denn das größte Spektakel und das schärfste Bild nutzten nur wenig, wenn die Idee dahinter einfach nur fad war. Ein Problem sah sie eher in der knappen Zeit, denn der Wettbewerb lief wohl schon eine Weile, und der Artikel in der Zeitung war so etwas wie ein letzter Aufruf an alle, die bis jetzt noch nichts von davon mitbekommen hatten. Gerade mal zwei Wochen blieben ihr und ihren Freundinnen noch, um ein Drehbuch zu schreiben, die Aufnahmen in den Kasten zu kriegen und den Film zu schneiden.

Bei der Themenwahl waren den Teilnehmern kaum Grenzen gesetzt, und während die Friseurin sich an ihren Haaren zu schaffen machte, nahm in Cassies Kopf schon das Drehbuch Gestalt an. Ihr schwebte ein düsterer Thriller vor, über ein Mädchen, das bei einem heimlichen Abstecher vom Nachhauseweg Zeugin eines Verbrechens wurde und um sein Leben rennen musste. Ja, das konnte was werden!