Im großen Pfadfinder-Sommerlager benehmen sich einige von Piets Kameraden äußerst merkwürdig. Besonders Connor, der immer und überall der Anführer sein will, hat es auf Piet abgesehen, und Piet hat keine Ahnung, warum. Es muss mit der Nachtwache mit Alva zusammenhängen, das ist das Einzige, was er sich zusammenreimen kann. Irgendwas kommt da noch auf ihn zu, das spürt er, aber solange er nicht weiß, wie alles zusammenhängt, kann er sich auch nicht wappnen. Die Lage ist vertrackt, und Piet kann nur abwarten …
Autorenplauderei: Pfadfinder
Es gibt in Deutschland verschiedene Pfadfinderverbände, die sich in ihrer Organisation und Ausrichtung leicht unterscheiden. Ich habe mich in der Geschichte am größten deutschen Verband, der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) orientiert. Sie könnte aber genauso gut in einem Lager jedes anderen Verbands spielen.
Unter den fast siebzig Pfadfindern und Pfadfinderinnen, die vor dem Tor eines einfachen Zeltplatzes aus dem Doppeldecker-Bus quollen, durfte Piet sich zu den erfahrensten zählen. Er hatte sein erstes Sommerlager mit sieben mitgemacht, eigentlich wäre er damit noch zu jung gewesen, aber seine Cousine Leni, damals sechzehn, hatte versprochen, auf ihn aufzupassen. Inzwischen war Piet selbst fünfzehn, und es war sein fünftes großes Sommerlager. Die fanden wegen des großen Aufwands für die, die alles organisierten, nur alle zwei Jahre statt, dazwischen gab es aber auch noch kleinere Fahrten. Wenn ihn jemand gefragt hätte, wie oft er schon mit den Pfadfindern auf Tour gewesen war, dann hätte er erst einmal nachzählen müssen.
In diesem Jahr hatten die Leiter – darunter Leni, die aber gerade mitten im Umzug steckte und deshalb nicht mitgefahren war – einen Platz im Münsterland ausgesucht. Ausgestattet war er nur mit dem Nötigsten, auch das gehörte beim Sommerlager dazu. Es gab einen Holzbau mit Toiletten, Waschgelegenheiten und Duschen, um alles andere mussten die Pfadfinder sich selbst kümmern.
Ein Teil der Leiterinnen und Leiter war mit PKW und einem Kleinbus vorausgefahren, die meisten von ihnen schon am Vortag. Sie hatten Zelte und Ausrüstung mitgebracht und ein paar Dinge vorbereitet, damit es nach der Ankunft der anderen kein Chaos gab. Die Zelte lagen, allerdings noch verpackt, dort, wo sie aufgebaut werden sollten, und neben jedem Zeltsack ausreichend Heringe, Erdnägel und ein Gummihammer.
Die Leiterinnen und Leiter sorgten dafür, dass ihre Schützlinge sich in der Mitte des Platzes sammelten. Sie bildeten einen großen Kreis, und Till, 1. Vorsitzender des Stammes, hielt eine kurze Begrüßungsrede. Hauptsächlich ging es darum, dass jeder und jede wusste, wie es weiterging; für die alten Hasen wie Piet war das ein alter Hut, aber auch sie mussten natürlich wissen, welches Zelt wem zugedacht war. Alle Zelte waren Sechserzelte, getrennt natürlich nach Jungen und Mädchen und zusätzlich nach Altersstufen. Piet gehörte zu den „Pfadis“, das waren die Vierzehn- bis Sechzehnjährigen, darunter gab es noch die Wölflinge und Jungpfadfinder, kurz „Juffis“ darüber die Rover als Älteste.
Für die Pfadis waren drei Zelte vorgesehen, zwei für die Jungen und eins für die Mädchen, die in dieser Altersstufe in der Unterzahl waren. Über Platzmangel konnten die Jugendlichen sich nicht beklagen, die Mädchen waren zu fünft, die Jungen zu neunt. Eigentlich hätten es zehn sein sollen, aber ausgerechnet Matti, Piets bester Freund, hatte sich zwei Tage zuvor das Bein gebrochen und deshalb nicht mitfahren können. Die Verteilung auf die beiden Zelte ergab sich von allein: Connor, der für sich in Anspruch nahm, immer vorwegzugehen, sammelte seinen Getreuen um sich, dem Rest blieb das zweite Zelt. Piet war das gar nicht so unrecht, denn er kam mit Connor allenfalls leidlich aus, und mehr Platz bekam er so noch gratis dazu. Connors Kreis bestand, ihn selbst eingerechnet, aus fünf Jungen, blieben also vier für das zweite Zelt. Mit Oliver, Hannes und Nick war er auch nicht unbedingt eng befreundet, kam aber gut mit ihnen aus. Als Zeltgemeinschaft würden sie auf jeden Fall keine Probleme haben.
Der Aufbau des Zeltes ging Piet und seinen Kameraden schnell von der Hand. Alle vier machten das längst nicht zum ersten Mal, sie kannten die erforderlichen Handgriffe in- und auswendig. Hilfe von ihren Gruppenleitern benötigten sie nicht, aber das Leitungstrio musste sich vergewissern, dass sie alles richtig gemacht hatten. Kilian, der einzige Mann im Team, hatte keinen Zweifel, dass das Zelt sicher stand, aber wenn doch etwas passierte und er hatte nicht nachgeguckt, dann war er dran. Zu beanstanden hatte er nichts, der Mast stand gerade und war ordentlich abgespannt. Piet und die anderen hatten auch an die Kleinigkeiten gedacht und zum Beispiel vor dem Abspannen den Eingang verschlossen. Mit offenem Eingang abzuspannen, war ein beliebter Fehler, der mit etwas Pech dazu führte, dass sich der Eingang dann nicht mehr schließen ließ, wenn das Zelt stand.