Autorenseite René Bote

Ein Rodel für zwei

Cover der Kurzgeschichte Ein Rodel für zwei

„Mama, muss das sein?“ Niko verzog das Gesicht. „Ja, es muss.“ Seine Mutter ließ sich nicht beeindrucken. „Ich kann verstehen, dass dir das nicht schmeckt, aber es geht nun mal nicht anders.“ „Aber warum ausgerechnet Leonie?“, wollte Niko wissen. „Ich könnte doch auch zu…“ Seine Mutter hob die Hand. „Du hast doch mitgekriegt, dass ich seine Mutter nicht erreicht habe“, erinnerte sie ihn. „Und Leonie beißt nicht.“

 

Nein, beißen würde Leonie nicht, das war Niko auch klar, aber er würde sich zu Tode langweilen mit ihr. Nix mit Bundeligasaison in Genius Soccer Pro am Computer zu Ende spielen oder einen guten Film reinziehen! Niko hatte keine Ahnung, was Leonie für Hobbys hatte, er hatte kaum mal mit ihr geredet, seit sie im Sommer in die gleiche Klasse gekommen waren, aber bestimmt waren es lauter Mädchensachen.

 

„Warte doch erst mal ab!“, mahnte seine Mutter angesichts seiner verdrießlichen Miene. „Nach allem, was Leonies Mama erzählt hat, kann ich mir gut vorstellen, dass ihr sogar richtig viel Spaß zusammen haben werdet.“ Das wagte Niko ernsthaft zu bezweifeln, wahrscheinlich würden sie in Leonies Zimmer hocken und Mensch-ärgere-dich-nicht spielen, ganz toll!

 

Aber es war zwecklos, weiter dagegen zu protestieren, das wusste er. Seine Mutter hatte mit Leonies besprochen, dass er nach der Schule mit zu Leonie gehen und auch bei ihr übernachten würde. Es sollte viel Schnee geben im Lauf des Tages, und die Buslinie, die Niko nach Hause nehmen musste, würde die erste sein, auf der nichts mehr fuhr, wenn die Straßen glatt wurden. Dass er bei Schneegestöber den größten Teil des Wegs zu Fuß ging, wollte seine Mutter nicht, und sie wollte auch nicht, dass er vielleicht die ganze Nacht allein zu Hause war, wenn sie es selbst nicht von der Arbeit zurück schaffte. Sie war Krankenschwester, und vielleicht würde sie Überstunden machen müssen, wenn es wegen des Schnees viele Unfälle mit Verletzten gab; außerdem würde es für sie auch schwierig werden, nach Hause zu kommen, wenn die Busse nicht fuhren.

 

Sie hatte tatsächlich zunächst versucht, Niko bei seinem besten Freund Lukas unterzubringen, weil sie wusste, dass Niko und Leonie nicht so besonders viel miteinander zu schaffen hatten. Doch Lukas‘ Mutter ging nicht ans Telefon, und Nikos Mutter hatte die Sache geklärt haben wollen, ehe Niko sich auf den Weg zur Schule machte. Deshalb hatte sie am Ende bei Leonie zu Hause angerufen; sie kannte Leonies Mutter von den Elternabenden und von der Weihnachtsfeier der Klasse und schätzte sie zuverlässig genug ein, um ihr Niko für eine Nacht anzuvertrauen.

 

***

 

Mit einem leisen Grummeln im Bauch betrat Niko den Schulhof. Wie sollte er sich Leonie gegenüber verhalten? Sich nicht weiter um sie kümmern, so wie sonst, konnte er wohl schlecht, aber er wusste auch nicht, was er mit ihr reden sollte. Verdammt, eigentlich kannte er sie ja kaum! Er wusste, dass Erdkunde und Sport ihre Lieblingsfächer waren, während sie in Musik meistens mit offenen Augen pennte, das bekam man natürlich im Lauf der Zeit mit, aber sonst? Er hatte keine Ahnung, was sie außerhalb der Schule machte, ob sie in irgendeinem Verein war, welche Musik sie mochte, wenn überhaupt welche, ob sie las, und wenn ja was… Wie sollte man da ein gemeinsames Gesprächsthema finden?

 

Dass Leonie gerade mit ihrer besten Freundin Emma zusammenstand, machte es nicht einfacher. Aber um Abstand zu halten war es schon zu spät – Emma hatte Niko gesehen, machte Leonie auf ihn aufmerksam und zog sie hinter sich her zu ihm. Sie war ziemlich geladen, das sah man schon an der Art, wie sie ging. Vor Niko baute sie sich auf und stemmte die Fäuste in die Hüften. „Spinnt deine Mutter?“, begrüßte sie ihn. „Leonie sollte mir helfen Weihnachtsgeschenke aussuchen! Stattdessen hat sie dich jetzt an der Backe!“

 

Niko war sprachlos. Was konnte er denn dafür? Er hatte sich doch nicht ausgesucht, nach der Schule mit zu Leonie zu gehen und sogar bei ihr zu übernachten!

 

Bevor er sich überlegen konnte, wie er auf die unfaire Attacke reagieren sollte, ging Leonie dazwischen. „Lass ihn!“, sagte sie und schob Emma von Niko weg. „Er kann doch nichts dafür! Außerdem ist es so schlimm doch auch gar nicht, dann kommt er eben mit nachher.“

 

Emma schien noch nicht überzeugt, merkte aber offenbar, dass Leonie keine Lust auf Streitereien hatte. Niko war erleichtert, dass Leonie nicht sauer auf ihn war, für sie war das so toll sicherlich auch nicht, dass er in ihre Pläne für den Nachmittag platzte. Mit den Mädchen Weihnachtsgeschenke shoppen zu gehen würde wahrscheinlich todlangweilig werden, aber wenn es sein musste, dann würde er ihnen eben hinterherschleichen, während sie die Geschäfte abgrasten. Besser so als wenn er Leonie den Nachmittag versaute und dann den Rest des Tages ihre schlechte Laune ertragen musste.

 

***

 

Ein paar Klassenkameraden guckten ziemlich sparsam, als Niko sich am Mittag mit Leonie auf den Heimweg machte, statt mit anderen, die ebenfalls den Bus nehmen mussten, zur Haltestelle zu gehen. Es schneite ziemlich heftig, auf den Bürgersteigen lag der Schnee bestimmt knöchelhoch, aber noch schaffte es der Streudienst, wenigstens die Hauptstraßen und die wichtigsten Busstrecken freizuhalten. Auf der Linie, die Niko hätte nehmen müssen, um nach Hause zu kommen, ging allerdings schon seit kurz nach zehn gar nichts mehr. Niko hatte in der letzten großen Pause in der Nahverkehrs-App nachgeschaut, sein Bus stand in einer Liste von Linien, die bis auf Weiteres nicht mehr fahren würden, weil die Gefahr zu groß war, dass die Busse sich festfuhren oder verunfallten.

 

Lukas wollte Niko spontan mit zu sich nehmen, und Niko hätte die Einladung nur zu gern angenommen. Er wusste, dass das von Lukas‘ Eltern aus kein Problem gewesen wäre, aber seine Mutter wollte solche Sachen frühzeitig geklärt haben. Sie musste nun mal arbeiten, und ihre Arbeitszeiten ließen ihr wenig Raum für kurzfristige Planänderungen. Sie war mit Sicherheit heilfroh, dass Leonies Mutter sich bereit erklärt hatte, auszuhelfen, und wäre stinksauer gewesen, wenn Niko jetzt alles über den Haufen geworfen hätte.

 

***

 

„Alles ok?“, erkundigte Leonie sich bei Niko, als sie sich gemeinsam auf den Weg zu ihrer Verabredung mit Emma machten. Es war kurz vor drei, sie hatten nach der Schule mit Leonies Mutter zu Mittag gegessen und ihre Hausaufgaben erledigt.

 

Niko antwortete nicht sofort. Er konnte sich keine Begeisterung abringen, wollte Leonie aber auch nicht vor den Kopf stoßen. Aber Leonie schien auch so zu spüren, was er fühlte. „Angst vor einem Marathon durch sämtliche Boutiquen der Stadt?“, folgerte sie und lächelte. „Keine Sorge, das würde ich auch nicht mitmachen. Oder hast du mich jemals in was anderem gesehen als so wie jetzt?“ Sie deutete auf ihre Kleidung, die aus dunkelblauen Jeans, rotem Sweatshirt, dunkler Daunenjacke, Wollmütze und knöchelhohen Wanderschuhen bestand. Niko schüttelte den Kopf. Er konnte sich tatsächlich nicht entsinnen, sie mal was anderes tragen gesehen zu haben als robuste, zweckmäßige und bequeme Kleidung ohne Schnickschnack. „Siehst du!“ Leonie schmunzelte. „Wenn ich was zum Anziehen brauche, dann bin ich in zehn Minuten fertig“, erzählte sie. „Rein in den Laden, Klamotten in der richtigen Größe greifen, bezahlen und wieder raus.“

 

Das gefiel Niko, denn so ähnlich machte er es auch. Er besorgte sich seine Sache meistens alleine, denn bedingt durch ihren Job hatte seine Mutter wenig Zeit, mit ihm einkaufen zu gehen.

 

„Emma will ein Hörbuch für ihren Vater kaufen“, fuhr Leonie fort. „Er hört gerne Krimis, aber sie hat keine Ahnung, was es da alles so gibt. Sie liest kaum, und wenn, dann Zeitschriften. Deshalb hat sie mich freiwillig bereit erklärt, ihr zu helfen.“ „Liest du Krimis?“, fragte Niko. Leonie zuckte mit den Schultern. „Auch“, antwortete sie. „Neben Abenteuern und Gruselgeschichten. Und du? Was liest du? Oder liest du gar nicht?“ „Doch, doch“, beeilte sich Niko zu versichern. „Vor allem Bücher über Fußball.“ „Fußball spiel ich lieber selbst“, antwortete Leonie leichthin.

 

Niko stutzte. „Du spielst Fußball?“, wunderte er sich. „Klar“, bekräftigte Leonie. „Warum denn nicht?“ Niko zuckte mit den Schultern. „Ich hab nie was davon mitgekriegt“, versuchte er zu erklären. „Wie denn auch?“, meinte Leonie. „Wie haben uns bis jetzt ja auch immer nur in der Schule gesehen.“

 

***

 

Leonie hatte Niko neugierig gemacht, aber der Weg zum Treffpunkt mit Emma war zu kurz, um noch viele Fragen zu stellen und zu beantworten. Niko konnte nicht einmal mehr in Erfahrung bringen, ob Leonie nur hin und wieder mit Freunden irgendwo auf der Wiese kickte oder richtig im Verein spielte. Aber aufgeschoben war nicht aufgehoben, so lange würde es mit dem Weihnachtsgeschenk für Emmas Vater schon nicht dauern, dass er hinterher keine Gelegenheit mehr haben würde, Leonie danach zu fragen.

 

Emma erwartete Leonie und Niko schon vor der Buchhandlung, und obwohl die beiden einige Minuten vor der Zeit kamen, wurde sie schon langsam ungeduldig. „Na endlich!“, begrüßte sie ihre Klassenkameraden. „Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr.“ „Wir hatten viertel nach drei gesagt, oder?“, versetzte Leonie trocken. „Aber entschuldige, ich hätte natürlich wissen müssen, dass das bei so einer wichtigen Sache viertel vor heißt.“

 

Emma verzog das Gesicht. „Du hast gut reden!“, beschwerte sie sich. „Ganz ehrlich, ich hab keine Ahnung, wonach ich suchen soll! Krimis gibt’s doch wie Sand am Meer.“ „Lass uns einfach mal reingehen“, schlug Leonie vor. Sie ließ sich von Emmas Aufregung nicht aus der Ruhe bringen. „Vielleicht springt uns direkt was ins Auge, und wenn nicht, dann schauen wir mal, ob wir das Ziel ein bisschen einkreisen können.“

 

Niko fand es gut, dass Leonie so ruhig blieb. Ein ruhiger Gegenpol, der ihr unaufgeregt half, Ordnung in die eigenen Gedanken zu bringen, das war genau das, was Emma jetzt brauchte. Emma wollte ihrem Vater auf keinen Fall etwas schenken, das ihm nicht gefiel, und die riesige Auswahl verunsicherte sie sichtlich.

 

Während sie begannen, das Angebot an Hörbüchern zu sichten, stellte Leonie gezielte Fragen. Hatte Emmas Vater eine Vorliebe für bestimmte Autoren, und gab es von diesen Autoren Bücher, die er noch nicht kannte? Mochte er bestimmte Handlungsorte? Eher blutig oder nicht so brutal? Sollte es eine Geschichte sein, in der der Leser den Täter früh kannte und mitfiebern konnte, wie der Ermittler zum Ziel kam, oder sollte auch der Leser eine Weile im Dunklen tappen? Wer sollte ermitteln? Polizisten? Ein Privatdetektiv? Ein Pathologe? Einzelgänger oder Team?

 

Es war unglaublich, wie viele Fragen Leonie einfielen. Die meisten konnte Emma allerdings nicht oder kaum beantworten, sie hatte erst angefangen, genauer hinzusehen, was ihr Vater las oder hörte, als ihr die Idee gekommen war, ihm zu Weihnachten ein Hörbuch zu schenken.

 

Seinen eigenen Beitrag fand Niko dagegen ziemlich bescheiden, er hatte sich nur erkundigt, welches Budget Emma eigentlich zur Verfügung stand. Als sie die Titel von ein paar Büchern nannte, die ihrem Vater gut gefallen hatten, kam ihm eine Idee, aber die war noch lange nicht spruchreif. Die Mädchen kümmerten sich nicht weiter darum, als er sich absonderte, er war ja ohnehin nicht eingeplant gewesen.

 

Er fand nicht alle Titel wieder, die Emma genannt hatte, aber von einigen standen doch die gedruckten Versionen im Regal. Die Klappentexte gaben zumindest einen kleinen Hinweis, in welche Richtung die Suche gehen musste: nichts, wo bei jeder Umdrehung der CD das Blut aus dem Player spritzte, und nichts mit einem abgehalfterten Privatdetektiv, der in seinem Büro in einer schäbigen Seitenstraße schlief, weil er sich keine Wohnung mehr leisten konnte.

 

***

 

Auf dem Heimweg mussten Niko und Leonie sich gegen den Wind stemmen, der ihnen die Schneeflocken ins Gesicht blies. Sie hatten sich fast eine Stunde in der Buchhandlung aufgehalten, und nach der Wärme drinnen – der Laden war völlig überheizt – traf sie die Kälte im ersten Moment wie ein Schock. Auf den Bürgersteigen lag der Schnee mittlerweile mindestens zwei Handbreiten hoch, selbst da, wo Salz gestreut worden war, schmolz nicht alles weg. Auf der Straße kämpften sich die Autos mühsam vorwärts, am Busbahnhof verkündete ein Schriftzug auf der Anzeigetafel, auf der sonst die nächsten Abfahrten zu lesen waren, dass der Busverkehr wegen des Schnees bis auf Weiteres in der ganzen Stadt eingestellt war.

 

Für Emma war das extrem blöd, denn jetzt konnte sie nur noch die S-Bahn nehmen, die immerhin noch fuhr, auch wenn von einem geregelten Fahrplan keine Rede mehr sein konnte, und würde am Ende bestimmt noch eine halbe Stunde laufen müssen. Wenigstens konnte sie sich darüber freuen, dass die Mühe nicht vergeblich war, das Hörbuch, das sie am Ende ausgesucht hatte, würde ihrem Vater gefallen, da war sie sicher.

 

Niko und Leonie hatten es nicht ganz so weit, obwohl sie im hohen Schnee nicht so schnell vorwärts kamen wie ohne, brauchten sie kaum mehr als eine Viertelstunde bis zu Leonie. Trotzdem sahen sie eher wie wandelnde Schneemänner aus als wie zwei Fünftklässler, als sie bei Leonie vor der Tür standen. Als sie die weiße Pracht abschüttelten, blieben zwei weiße Haufen auf dem Bürgersteig zurück.

 

„Lust auf einen Kakao?“, erkundigte Leonie sich, als sie die Wohnungstür aufschloss, und Niko nickte. „Dann wird uns wenigstens wieder warm“, meinte er. „Eben.“ Leonie grinste. „Ein paar Plätzchen müssten auch noch da sein, das rettet uns bis zum Abendbrot.“

 

***

 

Mit Kakao und Plätzchen verzogen Niko und Leonie sich in Leonies Zimmer. „Und jetzt?“, wollte Leonie wissen. Sie schien sich unschlüssig zu sein, was sie Niko anbieten sollte, sie wusste ja auch nicht mehr über ihn als er über sie und kannte seine Hobbys nicht.

 

Einen Moment lang sagte keiner von Beiden etwas. „Eigentlich müsste man bei dem Wetter raus und Schlitten fahren“, überlegte Niko dann. Hoffentlich kam Leonie das nicht zu kindisch vor! „Geht aber eh nicht, ich hab nichts zum Wechseln, wenn ich mich hinlege.“ „Notfalls leih ich dir eine Trainingshose“, antwortete Leonie sofort. „Und bis morgen früh sind deine Sachen auf der Heizung dreimal trocken.“

 

Sie war richtig begeistert und wusste auch schon, wo man gut rodeln konnte. „Die Wiese im Stadtpark!“, sagte sie, während Niko noch überlegte. Die Rodelwiesen, die er kannte, waren zu weit weg, da wären sie nur mit dem Bus hingekommen, und der fuhr ja nicht. „Der Hang am Denkmal!“

 

Niko kannte den Stadtpark kaum und bekam nur mühsam ein Bild der Wiese zusammen, die Leonie meinte. Aber er vertraute ihr, wenn sie sagte, dass man dort rodeln konnte, dann glaubte er ihr.

 

Leonie holte den Schlitten aus dem Keller, einen Holzschlitten ohne Lenkung, und dann ging es los. Die Kinder stapften durchs Schneetreiben zum Stadtpark, und Leonie führte Niko über die zugeschneiten Wege zum Denkmal. Fuß- und Schleifspuren belegten, dass sie nicht die Ersten waren, die auf die Idee gekommen waren, Rodeln zu gehen. Tatsächlich tobte auf der Wiese am Fuß des Denkmals, die eine schön lange und teils auch steile Abfahrt garantierte, der Bär, sozusagen der Eisbär. Zwei Dutzend Kinder waren bestimmt hier und rodelten ein ums andere Mal die Piste runter, und alle hatten einen Riesenspaß.

 

„Du zuerst!“, schlug Niko vor, als er mit Leonie am Fuß des Denkmals stand. Schließlich war es ihr Schlitten, also kam ihr auch das Recht zu, die erste Fahrt zu machen. Doch davon wollte Leonie nichts wissen. „Zusammen!“, entschied sie. Sie setzte sich auf den Schlitten und rückte weit genug nach vorne, dass Niko sich hinter sie setzen konnte. Er musste ziemlich dicht an sie heranrücken, um sich mit den Händen am Rand der Sitzfläche festhalten zu können, und Leonie lehnte sich leicht an ihn.

 

Die Abfahrt war rasant, Leonie, die teils durch Gewichtsverlagerung, teils mit den Füßen die Richtung bestimmte, wählte die Strecke, die das höchste Tempo versprach. Auf halber Strecke kreuzte ein Weg die Piste, aber der war genauso zugeschneit wie die Wiese. „Festhalten!“, rief Leonie, und Niko packte die Sitzkanten fester – gerade noch rechtzeitig, denn als es nach dem kurzen waagerechten Stück, das der Weg darstellte, wieder nach unten ging, verlor der Schlitten für einige Augenblicke jeden Kontakt zum Boden, ehe er hart wieder aufsetzte und mit unverminderter Geschwindigkeit weiterraste.

 

***

 

Die Schussfahrt ging nicht jedes Mal gut, schon bei der zweiten gerieten Niko und Leonie zum ersten Mal aus dem Gleichgewicht und überkugelten sich im Schnee. Aber im hohen Schnee landete sie weich und taten sich nichts. Lachend klopften sie sich den Schnee von der Kleidung und rannten dem Schlitten nach, der ohne seine Besatzung noch einige Meter weiter gerutscht war.

 

Sie blieben, bis es endgültig zu dunkel zum Rodeln war, insgesamt war es dann doch ein eher kurzes Vergnügen, weil sie so spät erst gekommen waren. „Wir hätten es umgekehrt machen sollen!“, meinte Leonie, als sie durch den Park zurückgingen. „Erst rodeln und jetzt, wo’s dunkel ist, mit Emma treffen.“ „Merken wir uns fürs nächste Mal“, antwortete Niko. Leonie lächelte. „Dann treffen wir uns in Zukunft öfter?“, vergewisserte sie sich. Niko nickte. „Auf jeden Fall“, versprach er. So sehr er sich am Morgen noch dagegen gesträubt hatte, bei Leonie zu übernachten, so sehr mochte er sie jetzt, wo er sie besser kennengelernt und gemerkt hatte, was für eine gute Kameradin sie war. „Toll!“, freute sich Leonie. „Macht nämlich echt Spaß mit dir.“ Noch während sie sprach, griff sie nach seiner Hand und hielt sie fest.