Autorenseite René Bote

Einfach mal 112

Cover des Buches [Title]
15. April 2025
34
978-3756599332
Neobooks

Mit dem Austragen des örtlichen Anzeigenblatts verdient Mareike sich etwas zum Taschengeld dazu. Ein zufälliger Blick in die Häuser lässt sich dabei nicht immer vermeiden. Als sie in einem der Häuser jemanden liegen sieht, ruft sie nicht nur den Rettungswagen, sie sucht auch selbst einen Weg ins Haus, um Erste Hilfe zu leisten. Doch drinnen erlebt sie eine böse Überraschung, und das wird garantiert ein Nachspiel haben!

E-Book € 2,49

Autorenplauderei: Doppelt geschrieben

Auch das passiert: Die Geschichte nähert sich beim Schreiben dem Ende, aber irgendwie will es so, wie der Autor es geplant hat, nicht funktionieren. Letztlich waren es Kleinigkeiten, die dazu geführt haben, dass ich den angedachten Weg zum Ziel nur mit sehr zufälligen Zufällen und schwer glaubhaft zu machenden Reaktionen hätte beibehalten können. Also bin ich rund zwei Drittel zurückgegangen und habe die Geschichte ab einem bestimmten Punkt fast komplett neu aufgebaut. Manchmal muss man solche Umwege einfach gehen, das gehört für mich zum Schreiben dazu.

Mit einem letzten Tritt in die Pedale erreichte Mareike die Straßenecke, die den Beginn ihrer Arbeit markierte. Sie schaute kurz auf die Uhr, denn die Zeit würde sie später in den Stundenzettel eintragen müssen.

Neben einem Verteilerkasten, der vor dem Zaun des Eckgrundstücks aus dem Boden ragte, lagen vier Pakete mit Zeitungen: die neueste Ausgabe des wöchentlich in der Stadt erscheinenden Anzeigenblatts. Zweihundert Exemplare, die Mareike in den umliegenden Straßen zu verteilen hatte.

Sie war gerade 15 geworden und machte den Job als Zeitungsbotin seit einem Vierteljahr. Es war keine besonders aufregende Arbeit, und wenn das Wetter nicht mitspielte, konnte sie auch schon mal ungemütlich werden. Aber immerhin sprang ein Zuschuss zum Taschengeld heraus, kein Traumgehalt, aber das gab es bei Schülerjobs ja so gut wie nie.

Mareike stellte das Fahrrad ab, nahm das erste Paket und schnitt die dünnen Plastikbänder durch, die die Zeitungen zusammenhielten. Der Faltkorb, den sie auf den Gepäckträger ihres Rades geklemmt hatte, hatte genau die richtige Größe für den Stapel. So konnte sie durch die Straßen schieben, ohne das Gewicht die ganze Zeit an den Armen oder auf dem Rücken zu haben. Wenn der Weg zum nächsten Haus etwas länger war, fuhr sie auch mal ein kurzes Stück, aber meistens lohnten Auf- und Absteigen nicht.

Es war kurz nach sieben, als sie die erste Zeitung in den Briefkasten des Eckhauses steckte. Am Wochenende um sechs Uhr aufzustehen, war kein Traum, auch wenn sie keine Langschläferin war, und sie hätte auch später anfangen dürfen. Aber wenn sie früh anfing, war sie gegen neun Uhr fertig, früh genug, dass der Tag nicht zur Hälfte schon wieder vorbei war.

Ihr Bezirk war nach der Anzahl der Exemplare, die sie zu verteilen hatte, einer der kleinsten, viele Zusteller hatten die doppelte Anzahl und mehr, ein paar wenige sogar um die tausend; die hatten allerdings auch etliche Hochhäuser auf ihrer Strecke, in denen sie zwei Pakete auf einen Schlag loswurden. Mareikes Bezirk bestand überwiegend aus Einfamilienhäusern mit kleinen Gärten, eine Straße wurde auf einer Seite von kleineren Miethäusern gesäumt.

Die Handgriffe waren inzwischen geübt und liefen fast automatisch ab. Mareike hatte herausgefunden, dass sie ein paar Augenblicke sparen konnte, wenn sie das Fahrrad am Eingang vorbeischob und es dahinter aufständerte. So kam sie auf dem Weg zum Eingang automatisch am Gepäckträger vorbei, und das Rad war ihr nicht im Weg. Die Zeitung faltete sie auf dem Weg zum Briefkasten, der fast überall neben der Haustür war, nicht an der Straße.

Routiniert arbeitete sie sich von Haus zu Haus, erreichte das Ende der Straße und näherte sich auf der anderen Seite wieder der Kreuzung. Um sie herum herrschte Stille, kaum jemand war am frühen Samstagmorgen unterwegs. Ein paar Leute begegneten ihr, die ihren Hund ausführten, bei anderen Häusern verrieten zum Lüften geöffnete Fenster, dass die Bewohner schon wach waren.

***

Seit sie Zeitungen austrug, verstand Mareike, wie sich lockere Bekanntschaften zwischen Anwohnern und regelmäßig wiederkehrenden Dienstleistern entwickeln konnten. Das war ihr bislang nie so bewusst gewesen, vielleicht, weil viele vormittags kamen, wenn sie in der Schule war. Den Postboten bekam sie kaum je zu Gesicht, höchstens mal in den Ferien, und eine gedruckte Zeitung hatten ihre Eltern nicht abonniert. Aber sie merkte, dass sie sich unwillkürlich immer mehr einprägte von dem, was sie auf ihrer Runde regelmäßig sah: die Hunde, die zu dieser Zeit unterwegs waren, die zugehörigen Herrchen und Frauchen, der alte Herr, der jeden Samstag zum Bäcker ging und mit einer Tüte voll Brötchen zurückkam. Bei diesem oder jenem Haus wusste sie im Voraus, dass die Bewohner schon wach waren, wenn sie kam, bei anderen hätte sie sich gewundert, wenn die Rollläden schon oben gewesen wären.

Manchmal konnte sie auch nicht vermeiden, einen kurzen Blick in die Häuser zu werfen. Sie musste ja auf die Grundstücke, um die Zeitungen in den Briefkasten zu stecken, manchmal stand die Tür offen, wenn in dem Moment jemand kam oder ging, oder sie schaute genau in die Fenster. Je nach Zuschnitt der Häuser und nach Größe und Position der Fenster sah sie mal mehr, mal weniger dabei; manchmal nur eine Deckenlampe und die Oberkante eines Schranks, bei anderen Häusern konnte sie durchschauen bis in den Garten.

Ahornweg 13 war ein ziemlich modernes Haus, mit schmalen Fenstern, die im Erdgeschoss ausgleichshalber vom Boden bis zur Decke gingen. Damit Passanten auf der Straße und die Nachbarn von gegenüber nicht hineinschauen konnten, gab es einen übermannshohen Sichtschutz aus schmalen Nadelgehölzen.

Mareike hatte trotzdem freien Blick, sobald sie vom Bürgersteig in den Weg abgebogen war, der durch den Vorgarten zur Haustür führte. Unwillkürlich nahm sie den schmalen Ausschnitt der Küche auf, die aus ihrer Sicht links der Haustür lag – und erstarrte. Dort lag jemand! Sie sah nur die Beine, die in den für sie sichtbaren Teil des Raumes ragten, Beine in Strumpfhose und Hausschuhen.

Nach einer Sekunde löste sie sich aus ihrer Erstarrung und sprintete los. Es waren nur ein paar Meter, der Vorgarten nicht groß. Einen Augenblick später stand sie vor dem Fenster und spähte hinein.

Viel mehr sah sie nicht von der Person, sie hatte zwar mehr Überblick über die Küche, aber die Kochinsel in der Mitte versperrte die Sicht. Die Person lag dahinter, Mareike sah nur eine Handbreite mehr von den Beinen.

Doch es gab ein weiteres Fenster, das zur Seite des Hauses zeigte. Von dort aus musste sie mehr sehen können!

Sie hastete um die Ecke und spähte abermals in den Raum. Jetzt konnte sie die ganze Person sehen, offenbar eine ältere Frau, die rücklings auf dem Boden lag. Ein Arm war abgewinkelt und lehnte an der Kochinsel, so als wäre die Frau beim Kochen zusammengeklappt und der Arm etwas hängen geblieben. Das Gesicht konnte Mareike nicht erkennen, weil es im Schatten der Kochinsel lag.